Berichte von 10/2018

EETEN

17Okt2018

Kinder, wir müssen übers Essen reden. Das größte Rätsel der Weltgeschichte muss ebenfalls gelöst werden: Wie zur Hölle schaffen es die Holländer bei dieser Nahrungsaufnahme (Details dazu weiter unten) solch schlanke Körper beizubehalten? Ernsthaft.

Hypothese 1: Sie radeln so viel, dass die Kalorien direkt wieder verbrannt werden.

Hypothese 2: Die Kalorienzunahme führt bei Niederländern nicht zu einem Wachstum in die Breite, sondern zu einem Wachstum in die Länge, deshalb ist die Bevölkerung auch so durchweg groß.

Hypothese 3: Sie bekommen das mit der Muttermilch bereits eingeflößt und was der Körper so früh schon kennt, da denkt er sich: Das kann nur positiv sein, her damit, ich will mehr, es tut mir nichts Böses.

Ohne Witz, die müssten alle dick und fett sein und auf elektrischen Rollstühlen durch die Gegend düsen, weil sie sich vor lauter Krokett, Frikadell und Bitterballen nicht mehr bewegen können. Aber die elektrischen Rollstühle sind den älteren Damen und Herren vorbehalten, die dann mit Ü70 (sowohl Alter als auch km/h) über die Radwege Hollands düsen. Das ist ja mein Traum. Das hat dann nicht nur gewissen Swag, sondern man kommt auch noch sehr beweglich von A nach B. Und das ist jawohl das A und O.

Aber zurück zum Frittieren. Highlight am Freitagabend unter den Niederländern? Zum nächsten Krokettstand mit der Liebsten fahren und erst mal eine Portion Frittiertes holen gehen. Das geht hier superpraktisch zu jeder Stunde, man kann nämlich einfach beim nächsten Automaten anhalten und den Frittier-Durst löschen. Besagte Automaten sind nur mit dem besten Hollands bestückt, mit all den „Leckereien“ und dann schmeißt man nen Euro ein, wählt ne Nummer und dann „Bing“, geht das Kläppchen auf und man kann sich seine Frikadelle entnehmen. What is there more to want? Dunno, dunno!

Jetzt denkt ihr bestimmt: Geil, Pommes! Geil, schöne Frikadellen! Geil, so ne leckere Wurst.

JA! DAS DACHTE ICH DOCH AUCH ERST!!! ICH MEINE ICH LIEBE DOCH wuRst UND POMMES UND ALLES!!!! Aber, liebe Kinder, freut euch nicht zu früh, beziehungsweise ist hier das Mantra: „Vorfreude ist bekanntlich die schönste Freude“ wohl am angebrachtesten. Aber, liebe Kinder, wir müssen wirklich über das Essen reden. Das ist schon wieder so ein Land, in dem man lieber Vegetarier wird. Hier hat die Wurst nicht zwei Enden, sondern eins. Und zwar ein Schlimmes. Das zwischen den beiden Enden schmeckt nämlich ganz und gar nicht leggo. (Kurzer Einwand hier, das Wort „lekker“ hat im Niederländischen mehrere Bedeutungen, es heißt schön, lecker, köstlich, eben alles positiv (Wenn also einer sagt: „lekker Mädchen“ dann kann man das durchaus positiv sehen und muss nicht direkt an den schnauzbärtigen Sänger von den Höhnern denken und abgeneigt sein), man kann aber auch einfach „Slaap lekker“ sagen. Das heißt „Schlaf gut!“ und ich bin auch dafür, dass wir es bei dieser Verwendung belassen, „lekker worst“ werde ich hier nämlich niemals in den Mund nehmen!)

Ich weiß nicht, was die im Ausland machen. Können die in Tausenden von Jahren Geschichte keine anständige Wurst herstellen? Geht das nur in Deutschland? Ich glaube hier wäre wirklich mal ein „Danke Merkel!“  angebracht. Ein hoch auf Deutschland. In solchen Momenten bin ich stolz, Deutsche zu sein. Ganz und gar (so gar, wie ein Wienerchen im Wurstsieder, wobei, ist das dann nicht wieder Österreichisch? Ah, ne, die nennen die dort ja Frankfurter, geh bitte, kommt da noch einer hinterher!) Witziger Fun Fact nebenbei, wie gehen drei Deutsche am Tag der Deutschen Einheit in den Niederlanden zum internationalen Cantus, bei dem man sich ländertypisch anziehen soll? Richtig. In Schwarz. Es ist doch aber auch wahr! Wie sehr geht einem diese bayrische pseudo-Dirndl-Trachten-Kacke auf den Senkel. Bayern ist nicht ganz Deutschland und Deutschland kann mehr als nur das! Ich finde, das sollten wir den Bayern lassen. Wie haben die Asiaten alle geschaut, als wir ihnen das erklärt haben. Nein, Bayern ist nicht Deutschland. Nein, wir tragen keine Dirndl in der Schule, und wir gehen auch nicht alle 24/7 aufs Oktoberfest und nein, wir trinken nicht morgens, mittags, abends Bier. Halleluja. Hier muss erst mal mit den Vorurteilen aufgeräumt werden. (Ich habe sicherlich auch das ein oder andere, keine Frage). Aber kein Witz, sie haben uns angeschaut wie ein Boot. Alle waren komplett aus dem Häuschen und haben ganz aufgeregt gekichert, als wir ihnen das erklärt haben.

Und jetzt erzähle ich euch, wann wir wie ein Boot geschaut haben. Und zwar, haltet euch am Reislöffel fest, die haben ernsthaft alle einen Reiskocher in ihr Gepäck gepackt, um hier ordentlich Reis kochen zu können. EINEN REISKOCHER!!!! Wenn mein Bruder mich noch einmal aufziehen wird, weil mein Koffer „zu groß“ ist oder „zu schwer“ ist oder noch einmal Einpark-Geräusche gemacht werden, wenn ich mit meinem Backpack ankomme: Ich verweise auf die asiatische Community, die EINEN FUCKING REISKOCHER IN IHREN KOFFER PACKEN!!!!! Jetzt weiß ich auch, wozu die Beauty Cases sind, die man oben auf den Koffer schnallen kann: Da gehört der Reiskocher rein! Man lernt nie aus. Aber man kann es ihnen auch nicht verübeln. Wahrscheinlich gibt es hier wirklich keine Reiskocher zu kaufen und so wie ich die Niederländer kennen gelernt habe, werden sie sicherlich auch diesen einfach frittieren. Rette sich, wer kann.

Apropos Beauty Case. Es ist so weit. Das Handgepäck-Theorem ist gekippt. Es geht einfach nicht mehr auf. Alles Praktische, was es da mal dran gab (schnelles Einchecken, schnelles Boarden, schnelles Entkommen) ist für die Katz, weil einfach alle mit Handgepäck fliegen und am Ende das Flugzeug platzt und die Koffer eh aufgegeben werden müssen. Ciao. Ich bin raus.

Nun aber doch noch mal zum Essen. Es ist so, dass irgendwie alles frittiert wird. Sei es Kartoffelpüree, Frikadellen, Rinderragout (das schimpft sich dann Bitterballen) oder asiatische Nudeln, alles wird ins Öl gekippt und frittiert. Am Ende sieht alles gleich aus und schmeckt eher so lala. Die beste Alternative ist da sicherlich noch das Mars oder Snickers. Ich plädiere für eine Entschlankung der Fritteusen: Bitte nur noch Fritten und Snickers. Keine fleischigen, nudeligen Dinge mehr und wir werden sicherlich alle glücklich sein.

Schweden ist ja auch kein Wurstland, aber die schaffen es irgendwie trotzdem, nette andere Dinge zu kochen. (Das ist mir hier irgendwie noch nicht über den Weg gelaufen, außer Stroopwaffeln, die sind spitze, auch in Eisform). Aber vielleicht löst Schweden in mir auch immer eine Begeisterung aus, die alles überstrahlen lässt. Man weiß es nicht. Auf jeden Fall bin ich sehr glücklich, wieder im Happyland gewesen zu sein. Ich habe sehr viel gegessen, sehr viel IPA probiert und viele lustige Biernamen kennengelernt. Meine Favoriten:

- Kärlek. Wenn man ein Glas Kärlek bestellt, dann bestellt man ein Glas Liebe. Was will man bitte mehr?

- Fata Morgana. Sehr trügerisch. Außen schüchtern, mit Sonnenuntergang und kitschig romantisch, innen 8% Alc.. Aber irgendwoher muss ja die Fata Morgana dann auch kommen.

- Nödraketen. Zu Deutsch so viel wie Notrakete. Was soll ich sagen …  witzig irgendwie.

Und dann wäre da noch Lollipop Sunshine. Da kann man sagen, well, das Leben ist kein Ponyhof, nein, aber wenigstens ist es ein bisschen Lollipop Sunshine. Und das will doch irgendwie jeder. Cheers.

Zurück zu den nicht dicken Niederländern. Wie machen die das? Ich würde aufgehen wie ein Ballon, gut, dass Erasmus nur ein halbes Jahr geht. Das würde hinten und vorne nicht klappen. Ich bin für eine Mischung aus Hypothese 1 und 2. Das bedeutet für mich, viel radeln, denn die niederländischen Gene werde ich wohl nicht mehr bekommen. Ist vielleicht aber auch gut, die führen hier nämlich anscheinend zu zurückgegelten Haaren. Man fühlt sich manchmal wie auf einem XXL BWL´er Campus.

So, jetzt ist aber auch gut mit dem Austeilen und wir werden wieder ruhig.

Oh! Ein positives kulinarisches Erlebnis habe ich doch erlebt! Die Niederlanden sind ein Cortado Land! Und zwar schenken sie dir hier den Richtigen ein! Nicht so eine Gruselerscheinung wie in Thüringen! Da bekommt man nämlich anstatt des Originals (doppelter Espresso, Schluck Milch und Schäumchen oben drauf) tatsächlich einen „Kaffee“ mit (Achtung!) Bärenmarke und Zucker. Das grenzt fast schon an Vergewaltigung des Kaffees und einer Verschwendung der Ressourcen. Ich bin mir noch unschlüssig, was schlimmer ist, ein Thüringen-Cortado, oder in Wien zu Starbucks zu gehen. Beiden Zielgruppen, ich kann mich nur wiederholen, gehören auf ewig die Geschmacksknospen weggeschossen. Entschuldigt bitte, aber das schmerzt.

So, ich mach mir jetzt erstmal ein Bier auf, es ist ja auch schon gleich vier. Aber vorher muss ich noch das Dirndl lockern, das spannt heute irgendwie so.