Berichte von 02/2017

Miniature Istanbul

15Feb2017

Eigentlich wohne ich in der Frankfurter Innenstadt, aber es kommt mir doch so vor, als wäre ich in miniature Istanbul gelandet. Die Dönerbudendichte hier ist so hoch wie die Taubeninvasion in Amsterdam – weit und breit Pide und Yufka. Vom französischen Mitbewohner bekommt man schon gesagt, los lass uns deutsch Essen gehen. Zwei Minuten später isst man den Supremedöner bei Metin. Jaja. Dabei ist das doch nur Integration und braun nur das Dönerfleisch! Nichts Schlimmes also.

Hier ist man mittendrin, statt nur am Rande. Und dass nicht nur geographisch. Auch geistlich. Und offen ist man auch. In der kurzen Zeit wurde ich schon oft angesprochen, wieso ich denn in das hässliche Frankfurt kommen würde, wenn ich doch aus der prächtigen Stadt namens Heidelberg komme. Gefühlt kommt da nicht nur die schwedische Königin her, nein, es hat auch mindestens jeder einen Verwandten oder zumindest einen Feldhamster, der da her ist. Allseits bekannt. Ist ja aber auch echt nett da, ne? Und dann stutze ich immer kurz, denn ich finde Frankfurt gar nicht so hässlich. Ehrlich nicht. Auch wenn Oma das so findet und am Telefon immer sagt: „Bin ich immer froh, da wieder raus zu sein!“ Jaja, hier wird auch nur mit Wasser gekocht. Und außerdem, es ist auch immer Polizei gleich um die Ecke, die wird schon aufpassen, dass nichts passiert, die deeskaliert dann immer, so ein zwei Mal am Tag. Letztens standen sie mit vollem Einsatz vorm Waschsalon – bin ich froh, dass unsere Maschine geht.

Aber manche Bilder sind schon krass. Da sind die offiziellen Spritzenausgaben für die Abhängigen, wenn man gerade auf dem Weg zur Mittagspause ist. Und der Obdachlose vor der Bank, der direkt unter den dicken Anzeigen für die fetten Immobilien ganz vorne am Main schläft. Die Gegensätze hier liegen so nah beieinander. Aber dann ist da auch die Bäckertüte morgens auf dem Schlafsack des gleichen, schlafenden Mannes, die ihm irgendwer hingelegt hat, einfach, weil er oder sie es eben hat. Das ist doch auch schön. Und überhaupt ist die Stadt voller Kontraste. Da ist an der einen Ecke die Bar, deren Eingangstür fast aus den Angeln fällt und in der alle Stühle festgeschraubt sind, damit es keinen (oder weniger Stress gibt), und dann ist da fünf Meter weiter, eins nach dem anderen, glänzende Hochhäuser, in denen die Geschäfte von morgen entschieden werden.

Also nicht auf Anhieb so schön wie Heidelberg, aber eben doch, finde ich. Ein Streifzug am Fluss mit seinen 80.000 Brücken und dem Eisernen Steg, das hat schon Charme. Ist irgendwie auch cool, weil hinten dran gleich eben diese Wolkenkratzer aufragen. Und dann gleich um die nächste Ecke kommen ursüße, uralte Fachwerkhäuschen, bei denen extra viele Fensterchen eingebaut werden, um für jedes extra Geld zu kassieren, wie ich letztens erst gelernt habe. Es ist einfach international, bunt gemischt, offen und anders, als vieles, was ich bisher gesehen habe. Manchmal läuft man gefühlt ewig durch die Gegend und man hört kein einziges Wort deutsch – das geht einem sonst nur in Sachsen so.

Witzige Wortanbahnungen gibt es aber auch hier. Heute bei einem recht attraktiven Mann gesichtet, der jedoch mit „Hund“ unterwegs war. Also erstens Hund, und zweitens „Hund“. So eine kleine Flitzpipe, die man, wenn man auf flauschige Kissen steht, leicht auf der Couch mit dem Hintern erdrücken würde, wenn man nicht Obacht gibt. Aber da meinte er doch echt, nachdem er drei Mal an der Leine zog und nichts passierte: „Komm Karl.“                              KOMM KARL! - Karl! Das ist doch kein Hundename. Genauso wenig wie Diethelm ein Babyname ist. Wie kommt man denn auf die Idee, seinen Hund KARL zu nennen? Oder noch viel schlimmer, sein kleines, süßes, weiches Baby einfach mal Diethelm zu nennen. Ich bin dafür, dass Herr Hund seinen Hund Hund nennt, und Diethelm und Hund weitergehen. Also mal ehrlich. Aber vielleicht war ich einfach noch nie in der Situation, in der es dazu kommt, dass man seinen Hund Karl nennt. Oder sein Baby eben Diethelm. Wer weiß.

Zweites witziges Unterfangen in der big City ist das Phänomen, der auf den Boden geworfenen, von der Nacht tatsächlich müde aussehenden Krawatten, die auf dem Gehweg dahingerafft sind. Weiß nicht, ob das hier so ein Part des Walk Of Shames am frühen Morgen ist, aber habe bereits zwei gesichtet. Sehr amüsant. Vielleicht hatte Hund seine Leine satt und Karl, äh Diethelm, wollte auch ablegen….

Und dann der Café! Der wird hier nicht nur groß, sondern auch mit c – a – f – Apostrophe - e geschrieben und nicht mit k – a – f – f- e - e. Der ist hier samtweich und Balsam für die Seele, ein hoch auf die Ecke an der alten Brücke und das Café, gelobt seist du, nicht umsonst hast du ein heilig in deinem Namen. Das ist der kleine Bruder des Drop Coffees, und ich glaube deswegen bin ich auch so verliebt. Es ist wunderbar, es riecht alles nach Frühling und erwachen! Ich kann die Farben förmlich schmecken. Der Frühling ist im Anmarsch!