DOEI!

29Aug2018

Egal in welches Land man auch reist, man wird wohl nie ohne Vorurteile seinen Weg beschreiten. Aber so krass und so schnell hat bei mir bisher keiner mit den Vorurteilen aufgeräumt, und zwar die Holländer.

Meine Annahmen:

- überall Tulpen und Gras, die alten Botaniker

- viel Käse

- viel Frittiertes

- viele Räder

- gemütliche, nette Menschen

Doch es kam ganz anders.

Ich war schon ein paar Mal in den lieben orangenen Niederlanden unterwegs (Vorurteil?! Error: 404 not found) und fand es eigentlich immer sehr positiv, sehr schön und sehr offen. Deshalb dachte ich mir: Wieso nicht auch einmal für ein paar Monate dort leben? Und überhaupt lässt sich Niederländisch schneller lernen als Portugiesisch oder Spanisch – man trinkt als Deutscher einfach ein paar Bier, dann ist die Sache geritzt (Ich sage da nur: chuuuuuuuude morjeeee), wobei das am frühen Morgen vielleicht etwas anstrengend mit dem Bier werden könnte. UND Spanisch lernt man bei den ganzen Erasmus Partys sowieso noch nebenbei (Ich erwähne da nur Despacito, La Gozadera und ein bisschen Enrique darf auch immer nicht fehlen.). Von daher kann man hier das mini-max Prinzip sehr gut fahren.

Apropos fahren. Es ist einfach nur gestört. Gestört ist es! Die Radfahrer haben hier Vorfahrt! Ich halte als Deutscher den kompletten Laden auf, weil ich immer an den falschen Stellen stehen bleibe. Ich bin es einfach nicht gewohnt, mit dem Rad auf Händen getragen zu werden. Man darf vor den Autos fahren! Es gibt eigene Radstraßen! Stellt euch das mal vor! Ich bin „Verpiss dich du scheiß Fotze!!!!“ am frühen Morgen gewohnt - Grüße gehen raus an den alten Osten! ABER! Wir Deutschen sind nicht ganz so schlimm wie die Kollegen aus Irland oder Chile. Dort wird nämlich anscheinend gar kein Rad gefahren. Deswegen kommt es auch zu dem ein oder anderen Radunfall. Im Stehen. Ohne Alkoholeinfluss. Sie kippen einfach um. Es ist sehr putzig, man kommt sich vor wie im Anfängerkurs. Vielleicht hätten wir doch mal alle zum zweistündigen Radfahr-Workshop gehen sollen… Ich fühl mich eh in die Übungsphase zurückversetzt. Ganz Tilburg gleicht einem Verkehrsübungsplatz: Kleine Schilder, kleine Ampeln, riesen Radwege, riesen Schlangen an den Ampeln. Das ist eh das Beste, man steht hier tatsächlich mit dem Rad im Stau – um die Ösis zu zitieren: ka schaß! Ich denke jede Sekunde, gleich kommt Herr Pfeiffer vom Polizeirevier um die Ecke und überprüft, ob ich auch richtig Handzeichen gebe und abbiegen kann, damit ich am Ende der Woche meinen Radführerschein bekomme (mit Sternchen natürlich) – original wie in der zweiten Klasse.

Wer jetzt denkt, man könne in den Niederlanden mit dem Verkauf von Radhelmen ein goldenes Näschen verdienen: Geschnitten, ihr Lieben! (Das schreit nach einer gescheiterten Geschäftsidee für Auswanderer bei Goodbye Deutschland). Hier wird sogar auf dem Moped, mit dem man auf dem Radweg fahren darf, kein Helm getragen. Also Augen auf im Straßenverkehr und auch bei der Zielgruppenakquise. Die liegt hier nämlich bei zero. Eher laufen würde bei den ganzen Fahrern Drei-Wetter-Taft. Hier könnte Heidi den ganzen Tag in die Kamera quäken: „Morgens regen, mittags Sonne, abends Schnee? Kein Problem mit Drei-Wetter-Taft! Perfekter Halt bei jedem Wetter“. Das bleibt hier nämlich ein Mysterium. Und nicht nur das.

Zurück zu den Holländern und ihrer Sprache. Ich finde es einfach großartig. Es ist einfach so witzig und putzig sie reden zu hören! Und die Niederländer scheinen ihre Sprache auch ordentlich zu feiern. Vor allem beim Feiern. Das, meine Damen und Herren, können die aber so richtig. Halleluja. Wenn ich eines in der TOP Week gelernt habe: TOP Week ist nur einmal im Jahr. Da wird alles gegeben. Witzig ist, dass sie einfach viele deutsche Lieder nehmen und die ins Holländische übersetzen. Da aber dann bitte auch nur die Perlen der Musikgeschichte. Mein Favorit: Scheiß drauf (Malle ist nur einmal im Jahr) von Peter Wackel. Mein Tipp: am besten noch eine Version rausbringen und zwar mit „Scheiß drauf (TOP Week ist nur einmal im Jahr)“. Natürlich auf Niederländisch. Weitere deutsche und internationale Klassiker, die, wie ich finde, nicht auf der niederländischen Agenda fehlen sollten:

Doei, Doei, Doei – aka Louis, Louis, Louis, in Zusammenarbeit mit dem Originalkomponisten Kay One (Doei (Dui) heißt tatsächlich Tschüss auf Niederländisch, um erneut die liebgewonnenen Österreicher zu zitieren: wieder ka schaß!). Ich stell mir das ungefähr so vor:

 

“Ich hab' Style, ich hab' Geld
Ich trag' Louis, Louis, Louis
Deine Frau zieht sich aus
Für 'ne Louis, Louis, Louis

„Yo, Kay, Kay, Kay, guck ma', nichts für ungut, aber ich glaub', die Leute wissen gar nicht, was du damals mit dem Song gemeint hast. Startover, wir zeigen mal, wie wir das 2018 machen! Let's go!“


Ich hab' Style, ich hab' Geld
Ich sag doei, doei, doei
Deine Frau zieht sich aus
Ich sag doei, doei, doei
Sie ist reich, mir gefällt
Ihr doei, doei, doei
Und wär' das hier das Dschungelbuch
Wär' ich King doei, doei, doei

 

(Weiterlesen: https://www.songtexte-lyrics.de/louis-louis-lyrics-kay-one/, kann ich keinem empfehlen, auch das Original sorgt dafür, dass die Ohren doei, doei, doei sagen.)

Da wir es gerade von Bye bye und doei doei haben, ein weiterer Sommerhit, der in den Erasmushallen erklingt: Bella Ciao von Talco:

È questo il fiore del partigiano,
O bella, ciao! bella, ciao! bella, ciao, ciao, ciao!
È questo il fiore del partigiano,
Morto per la libertà!

Auch dieser wundervoll umsetzbar in Niederländisch, ich höre sie schon singen:

En dat is de bloem van de aanhanger

O mooi doei! Mooi, doei! Mooi, doei, doei, doei!

En dat is de bloem van de aanhanger

Stierf voor vrijheid

 

Super auch hier, man greift das Blumenthema wieder auf! Mensch!

Ihr seht, es geht bunt her und ich komme kaum dazu, meine Eindrücke zu sortieren, aber ich würde gerne meine Annahmen von oben komplett revidieren, ernsthaft, kompletter Käse, was da steht. In Wahrheit ist das eher so:

- Tulpen hängen wirklich überall, sogar an der Wand im Wohnheimzimmer

- seeeeeeehr viel Käse

- sehr, sehr, sehr, viel Frittiertes, ach was sage ich! NUR Frittiertes! Ohne Scheiß, wie schaffen die das, nicht wie dicke Säcke rum zu rennen? Mein Magen sagt jetzt schon adé vor lauter Fett und ich tue schleunigst alles, dass sich das nicht an den Hüften sammelt und eine kleine Party schmeißt. Vielleicht schießt das bei den Holländern nicht in die Breite, sondern in die Höhe? Die sind aber auch groß!

- ÜBERALL RÄDER! Ich musste sogar warten, bis jemand weg fährt, um mein Rad in einen der (ungelogen) 30.000 Radständer an der Uni zu parken.

- partyfreudige, wilde, eskalierende, völlig gagae, crazy, urnette Menschen, die einen herzlichst willkommen heißen und wohl die witzigsten, liebsten und freundlichsten Gastgeber seit langem sind! Ich bin froh, erst in ein paar Monaten DOEI sagen zu müssen!